ABC der Veränderungsmotivation

Ein Glossar zu praxiserprobten und fundierten Methoden und Konzepten

Wie Motivation für Veränderungen verstärkt werden kann, gehört zu den am häufigsten gestellten Fragen im Change Management. In diesem ABC führen wir Sie durch eine Reihe von gut untersuchten Konzepten und praxiserprobten Vorgehensweisen und Tools, die dazu beitragen, Veränderungsmotivation zu stimulieren.

Action learning

Beim Action Learning (Hauser, 2012) arbeitet ein Team an einem für eine Organisation konkreten und relevanten Projekt und reflektiert gleichzeitig den eigenen Lernprozess. Bei dieser Methode des Erfahrungslernens verstehen sich alle Beteiligten als Lernende, die nicht über absolute Wahrheiten verfügen und daher eine offene Haltung einnehmen. Durch die Kombination von Expertenwissen und explorativem Erkunden von Neuland setzen sich die Mitglieder produktiv mit dem Erproben neuer Lösungen auseinander und nutzen regelmäßige Reflexionsphasen, um ihre persönlichen Lerneffekte einzuschätzen. Wird die Mitarbeit an Change-Projekten als Action Learning gerahmt und durch ein anleitendes Coaching begleitet, entsteht durch die explizite Aufforderung zur Exploration von innovativen Lösungen ein motivierendes und lernorientiertes Klima. Ähnlich motivierend wirkt die Mitarbeit in agilen Projektteams, in denen die Projektarbeit durch regelmäßige Reflexionsschleifen (z. B. Retrospektiven) ebenfalls als kollektiver Lernprozess gestaltet wird.

Beteiligung

Es gehört zur gut untersuchten Binsenweisheit des Change Managements, dass die aktive Mitarbeit an Veränderungsvorhaben die Akzeptanz bei den davon Betroffenen erhöht. Doch gut moderierte Beteiligungsformate mit den richtigen Stakeholdern produktiv auszugestalten, ist eine der kniffligsten Herausforderungen für Change Manager*innen. Mit Hilfe von Stakeholderanalysen und Kommunikationsplänen kann entschieden werden, welcher Personenkreis für den Projekterfolg wichtig ist und wie intensiv und häufig, in welcher Rolle und mit welchen Kommunikationsmaßnahmen die Einbindung des Personenkreises in das Projekt erfolgen sollte. Doch Vorsicht: Die Geister, die man durch Einbindungsstrategien ruft, möchten ernstgenommen werden. Werden deren Beiträge zu wenig bei Entscheidungen berücksichtigt oder nicht plausibel erklärt, warum eine Entscheidung doch anders getroffen wurde, entsteht schnell der Eindruck von Pseudopartizipation. Dies kann in Folge mehr Widerstand auslösen, als hätte man niemanden beteiligt.

Comfort Zone

Neue Verhaltensmuster entstehen dadurch, dass man neue Wege geht. Jedoch: Das Austreten aus der Comfort Zone – einem Bereich des Lebens, der durch Routine, Bequemlichkeit und Risikofreiheit geprägt ist – ist anstrengend und erfordert unsere Willenskraft. So unangenehm die ersten Schritte außerhalb der gewohnten und selbstgesteckten Grenzen sein mögen: Sie sind es wert. Wachstum und Entwicklung sind nur möglich, wenn wir uns regelmäßig neuen Aufgaben und Veränderungen stellen. Schon wenn wir kleine Dinge im Alltag anders machen als vorher, kann das dabei helfen, Routinen zu durchbrechen, neue Erfahrungen zu sammeln und die eigene Flexibilität zu erhöhen. Ein anderer Weg zur Arbeit, ein neues Gericht kochen oder eine neue Aufgabe oder Position können dabei helfen. Die Lern- und Wachstumszone beginnt am Ende der Komfortzone. An welcher Stelle öffnen Sie sich für neue Erfahrungen und durchbrechen in nächster Zeit gewohnte Routinen?

Dokumentation

Es ist ein sich selbst verstärkender Prozess: Motivation entsteht, wenn wir Fortschritte sehen können. Fortschritte können wir nur erkennen, indem wir Ergebnisse dokumentieren und im Zeitverlauf vergleichen. Zur Verstärkung dieses Kreislaufs dienen z. B. Tagebücher oder Tracking-Apps, in denen wir unsere messbaren Fortschritte visualisieren. Das steigert die Motivation, sich erneut anzustrengen und damit persönlichen Zielen, die Übung und Disziplin benötigen, näher zu kommen (wie z. B. die sportliche Aktivität zu erhöhen). Auch in Organisationen trägt die Visualisierung von Ergebnissen im Zeitverlauf dazu bei, dass Ansporn und Veränderungsmotivation entstehen, gute Ergebnisse zu halten oder schlechtere Ergebnisse zu verbessern. Außerdem beflügelt ein konstruktiver Austausch zu Erfolgsrezepten mit Gleichgesinnten die eigene Motivation, etwas auszuprobieren.

Empowerment

Die Übertragung von Verantwortung und Handlungsspielraum an Mitarbeitende, um damit deren Grad an Autonomie und Selbstbestimmung zu erhöhen, setzt neue Kräfte frei und motiviert zu selbständigem Handeln. Das belegen Untersuchungen zur Self Determination Theory von Deci & Ryan und zum Empowerment orientierten Führungsstil (vgl. Schermuly, 2016). Außerdem zeigt sich, dass Mitarbeitende umso innovativer sind, je selbstbestimmter sie handeln können. Gerade in Veränderungssituationen geht es häufig darum, das Vertrauen in die eigenen Ressourcen so zu stärken und Gestaltungsräume zu öffnen, damit auch komplexen Aufgaben und Umbrüchen selbständig und kreativ begegnet wird. Allerdings sollte man darauf achten, sich und andere nicht mit der übertragenen Verantwortung zu überfordern.

Feedbackprozesse

Richtig dosiert und übermittelt ist Feedback eine mächtige Intervention, um Veränderungen zu motivieren. Über Survey-Feedbackprozesse oder 360-Grad-Feedbacksysteme können organisationale und individuelle Stärken und Entwicklungsfelder identifiziert werden. Da wir nach der kognitiven Dissonanz-Theorie ein natürliches Bestreben danach haben, einmal erkannte Defizite oder Missstände zu beseitigen, stimuliert Feedback die Motivation, sich zu verbessern und Veränderungsmaßnahmen anzusetzen. Allerdings macht dabei der Ton die Musik. Rückmeldungen über Fähigkeiten, Verhalten und Wirkung sollten wertschätzend und beschreibend statt wertend vorgebracht werden. Feedback muss dazu eng an die Aufgabenrelevanz gekoppelt sein und die Frage beantworten «WAS kann WIE besser gemacht werden?». Das sollte im besten Fall mit konkreten Beispielen unterstützt werden. Bill Gates formulierte einmal treffend: «We all need people who will give us feedback. That’s how we improve».

Growth Mindset

Die Forscherin Carol Dweck hat entdeckt, dass es unterschiedliche Herangehensweisen an Herausforderungen gibt. Während die einen sofort denken «… kann ich nicht», denken andere «… ach, dann lerne ich das halt.» Welcher dieser Gedanken mit höherer Wahrscheinlichkeit auftaucht, entscheidet das Mindset, mit dem wir durch die Welt gehen. Wer ein Growth Mindset, also Wachstumsdenken, hat, der ist überzeugt, seine Fähigkeiten weiterentwickeln und Dinge lernen zu können. Fehler werden dabei als Möglichkeit gesehen, dazuzulernen. Personen mit einem Fixed Mindset, dem statischen Denken, sind davon überzeugt, dass es rein vom Talent abhängt, ob man etwas kann oder nicht. Gelernt wird nur, um positives Feedback zu bekommen, während Fehler als Bedrohung oder Abwertung der eigenen Person gesehen werden. Mit der Übernahme eines Growth Mindset verfolgen wir eine Denkweise, die unsere Offenheit gegenüber Neuem und unseren proaktiven Umgang mit Veränderungen fördert.

Herdentrieb

Wie zahlreiche sozialpsychologische Experimente belegen: Menschen haben die Neigung, sich mit ihrer Meinung und Verhalten der Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, anzupassen. Diese Art der Gruppendynamik kann im Change-Prozess genutzt werden. Hat man die Mehrheit der Gruppenmitglieder oder auch einflussreiche «Herdenführer» im Boot, werden Gruppenmitglieder leichter für anstehende Veränderungen zu motivieren sein.

Incentives

Es ist nicht zu leugnen: Ein Teil von uns tickt nach dem Homo Oeconomicus Prinzip. Menschen reagieren auf Belohnungen und Anreizsysteme. Ist eine Veränderung mit positiven Anreizen verbunden, sind wir motivierter, diese mitzugehen. Im inneren Dialog überprüfen wir ständig die Chancen und Risiken, die mit Veränderungen verbunden sind. Monetäre Anreize, die an die Erreichung von Veränderungszielen gekoppelt sind, großzügige Abfindungen, die Mitarbeitende veranlassen, zu gehen, oder Stay-on Boni, die für Veränderungen relevante Schlüsselpersonen in der Firma halten, sollen bei der  Veränderungsmotivation nachhelfen. Jedoch gilt es, Incentives mit Bedacht einzusetzen. Untersuchungen zeigen, dass die intrinsische Motivation durch Anreizsysteme beeinträchtigt werden kann und nur noch das getan wird, was auch bezahlt wird. Zugleich sollte man Anreizsysteme so transparent anlegen, dass deutlich wird, was genau belohnt wird und was getan werden kann, um den Anreiz zu erhalten, damit es nicht zur Demotivation derer kommt, die keine Incentives erhalten.

Juristischer Rahmen

Gesetze sind ein wesentlicher Hebel, um im großen Rahmen Veränderungen herbeizuführen. Erst mit den gesetzlichen Regularien zum Nichtraucherschutz konnte ein deutlicher Rückgang in der Raucherquote von Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen erreicht werden. Das gesetzliche Verbot für Einweg-Plastik ab Juli 2021 oder auch die Einführung des CO2-Preises für Heizöl, Erdgas und Diesel werden Verbraucher*innen und Unternehmen dazu veranlassen, klimafreundlichere Lösungen zu nutzen. Rechtliche Gesetzgebung wie das Recht auf Teilzeit oder Homeoffice beschleunigen neue Arbeitskulturen. Aber auch verbindliche Policies in Organisationen tragen dazu bei, Veränderungsmotivation dafür zu schaffen, bestimmte Maßnahmen zu realisieren (wie z. B. Compliance Vorgaben oder die Berücksichtigung von Quoten bei Einstellungen und Beförderungen).

Kommunikation

Eine gute Change-Kommunikation trägt dazu bei, das Warum, das Was und das Wie von  Veränderungsmaßnahmen zu verdeutlichen. Ist unklar, warum eine Veränderung notwendig ist, was genau verändert werden soll, und mit welchem zu erwartenden Ergebnis und wie das genau von statten gehen soll, können wir Veränderungen nicht nachvollziehen und uns schlechter mit ihnen identifizieren. Gleichzeitig stellt sich bei jeder Veränderung die Frage, welche Auswirkungen für uns persönlich damit einhergehen und ob das eher bedrohlich oder wünschenswert erscheint. Deshalb sollte eine gute Change-Kommunikation emotional ansprechende Argumente beinhalten, um den Betroffenen den individuellen Nutzen für sie selbst und für andere wichtige Anspruchsgruppen deutlich zu machen, damit sie sich der Initiative auch emotional und motivational anschließen können.

Learning Journey

Es ist motivierend zu sehen, dass andere Personen oder Organisationen schon das geschafft haben, was noch vor uns liegt. Daher inspirieren Learning Journeys auf vielfältige Weise unsere Veränderungsmotivation. Wir können uns durch Vor-Ort-Besuche ein Bild davon machen, wie es ist, wenn ein neues Organisationsmodell, eine andere Arbeitskultur, ein digitalisierter Workflow oder eine neue Customer Journey schon umgesetzt wurden. Mit den relevanten Akteuren können Best-Practice Erfahrungen ausgetauscht werden, um eigene Fehler in der Umsetzung zu vermeiden. Was davon in der eigenen Organisation oder von einem selbst übernommen werden kann und sollte, ist der begleitende Gedanke jeder Learning Journey. Eine anschließend differenzierte Auswertung der Erlebnisse hilft Entscheidungen zu treffen und die eigene Veränderungsmotivation («… ich/wir können das auch») zu verstärken.

Motivierende Gesprächsführung

In zahlreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Technik der motivierenden  Gesprächsführung die Veränderungsbereitschaft einer Person signifikant steigern hilft. Ursprünglich wurde dieser Beratungsansatz von Miller & Rodnick entwickelt, um Suchtklient*innen mit geringer Veränderungsbereitschaft im persönlichen Gespräch zu einer Behandlung zu motivieren. Jedoch kann die Technik leicht auf andere Kontexte übertragen werden, in denen es darum geht, innere Ambivalenzen zu erforschen, aufzulösen und intrinsische Veränderungsmotivation zu fördern. Bei der motivierenden Gesprächsführung wird explizit auf ein konfrontatives Vorgehen verzichtet. Vielmehr konzentriert man sich darauf, die Gründe für oder gegen die Veränderung in einer Atmosphäre von Akzeptanz und Anteilnahme zu erforschen, Ambivalenzen deutlich zu machen und die persönliche Motivation bzw. Änderungsbereitschaft für ein bestimmtes Ziel zu stärken.

Nudging

Sogar mit einem Nobelpreis wurde das von dem US-Ökonomieprofessor Richard Thaler entwickelte «Nudging»-Konzept geehrt, das Menschen zu gewünschten Verhaltensveränderungen anstößt. Dem zugrunde liegt die Idee, dass der Mensch Entscheidungen nicht immer rational trifft und nicht ausschließlich seinen eigenen Nutzen optimieren will. Stattdessen können Menschen auch durch bewusst gestaltete Informationen oder unterschwellig wirkende, psychologisch durchdachte Maßnahmen dazu bewegt werden, etwas Bestimmtes einmalig oder dauerhaft zu tun oder zu lassen. Wird zum Beispiel die Organspende als Normalfall gesetzt und muss man sich schriftlich dagegen äußern, wenn man dies nicht will, steigt die Zahl der Organspender*innen deutlich an. Oder: eine Fliege in einem Urinal verführt Männer beim Urinieren dazu, auf diese zu zielen. Essgewohnheiten werden verändert, wenn die Platzierung von gesunden Lebensmitteln im Buffet in Griffnähe ist. Nudging verändert also  Entscheidungssettings und macht eine Wahloption wahrscheinlicher. Man spricht aber nur dann von einem Nudge, wenn die Entscheidungsfreiheit nicht eingegrenzt wird und das Entscheidungssetting transparent ist. Das bedeutet als politisches Instrument sollten Nudges sichtbar sein oder in der Öffentlichkeit diskutiert werden, damit sie nicht als Manipulation gesehen werden.

Optionen sondieren

Love it, change it or leave it. Das selbstreflektierte Durchdenken dieser drei sehr einfachen Handlungsoptionen und ihrer Konsequenzen kann bereits helfen, um Entscheidungen zu treffen, wenn man sich in einer Situation gefangen fühlt, man eigentlich etwas verändern sollte, jedoch nicht weiß, wohin die Reise gehen soll. Was müsste ich verändern, damit ich mit der Situation besser zurechtkäme und was wären die längerfristigen Konsequenzen? Was könnten ich oder andere tun, um die Situation zu verändern, und was wären dabei Chancen und Risiken? Was müsste ich tun und was würde passieren, wenn ich mich aus der Situation herausbewege? Das Betrachten dieser drei Handlungsvarianten hilft, die Richtung der Veränderung zu bestimmen und die Motivation und einen Leitfaden für das weitere Vorgehen zu erarbeiten.

Prozessfairness

Eine wesentliche Erkenntnis der Fairnessforschung ist die Entdeckung des «Fair Process Effekts» (Folger, Rosenfield, Grove & Corkran, 1979). Dieser besagt, dass eine Person eher bereit ist, eine für sie ungünstige Entscheidung zu akzeptieren, wenn sie den Prozess, der zu der Entscheidung geführt hat, als gerecht empfindet. Um einen Prozess als fair zu empfinden, sind drei Faktoren besonders entscheidend: Mitsprache bei Entscheidungen zu haben, die die eigene Person betreffen, die Hintergründe von Entscheidungen verstehen zu können und die transparente Information über Vorgehensweisen und Prozessschritte. Ohne Prozessgerechtigkeit sind selbst von den Mitarbeitenden befürwortete Veränderungen oft schwer zu erreichen. Daher ist bei der Architektur von Veränderungsvorhaben auf die Gestaltung von fair gestalteten Prozessschritten zu achten, um Akzeptanz und Motivation für Veränderungen zu erhalten.

Qualifizierung

Verändern sich Rollen und Aufgaben, verändern sich auch die Anforderungen. Damit Betroffene sich für neue Aufgaben und Rollen gut gewappnet fühlen, sollten sie die Möglichkeit erhalten, die benötigten Fähigkeiten zu erlernen und ihr Rollenbewusstsein auszubauen. Qualifizierungsmaßnahmen on- oder off-the-job, verbunden mit der durch Coachingprozesse angeleiteten Reflexion der Erwartungen an die neue Aufgabe und Rolle, können fachliche und soziale Kompetenzen stärken und eine positive Einstellung gegenüber Veränderung, Wachstum und Weiterentwicklung fördern.

Real Time Strategic Change Konferenz

Mit der Methodologie der Real Time Strategic Change-Konferenz (Bonsen et al., 2008) geht es darum, die Teilnehmenden durch einen strukturierten Analyse- und Diskussionsprozess für die strategischen Ziele des Unternehmens und für die aktuelle Beteiligung an Veränderungsinitiativen zu gewinnen. Dabei durchlaufen alle Teilnehmenden mehrere Diskussionsrunden, in denen sie miteinander und mit der Führungsspitze in zwei bis drei Tagen folgende Agenda gestalten: 1) Überblick zur aktuellen Situation vermitteln, um die Augen für bestehende Probleme zu öffnen (z. B. wie sehen die Kund*innen die Firma wirklich? Welche internen Veränderungen sind unvermeidlich? 2) strategische Ziele und Programme vorstellen, 3) diskutieren, wie diese zur Lösung der bestehenden Probleme beitragen können und 4) Ziele und Lösungen definieren und zusammentragen, um daraus Maßnahmen für die zukünftige Zusammenarbeit zu planen. Durch die gemeinsame Reflexion der Notwendigkeit und der zu ergreifenden Maßnahmen wird das Verständnis für die Veränderung und die Motivation, sich aktiv daran zu beteiligen, verstärkt.

Szenariotechnik

Ziel von Szenarien ist es, mögliche Entwicklungen der Zukunft zu analysieren und zusammenhängend darzustellen (vgl. Roehl & Minx, 2012). Die Grundlage für die Entwicklung von Szenarien bilden Annahmenbündel, deren Eintreffen sehr wahrscheinlich ist. Ziel ist es, die in Szenarien dargestellten verschiedenen möglichen Zukünfte durchzuspielen, um für bestimmte Entwicklungen Gegenmaßnahmen einplanen zu können. Durch die Antizipation und die Vorherschau auf mögliche Entwicklungen entsteht ein gemeinsames Verständnis für das, was kommt, und zugleich ein «sense of urgency», um zukünftigen Entwicklungen schon vorausschauend mit passenden Veränderungsmaßnahmen zu begegnen. Die Szenariotechnik eignet sich daher gut, um Veränderungsmotivation für notwendige  unternehmerische Entscheidungen und Maßnahmen auf der Basis gemeinsam reflektierter möglicher Zukünfte zu schaffen.

Konsequente

Terminierung

Jeder von uns kennt das Phänomen. Wir haben vieles im Kopf, das wir eigentlich strategisch gerne in Angriff nehmen wollen und was unser (Arbeits-)leben verändern würde. Doch dafür finden wir im Alltag einfach keine Zeit. Indem wir uns für bestimmte Veränderungsaktivitäten feste Termine setzen, um konsequent in diesem Zeitraum wichtige notwendige Schritte dafür durchzuführen, treiben wir uns bewusst an, unseren Zielen näher zu kommen. Das wiederum fördert unsere Motivation, weiter dran zu bleiben. Auch für organisationale Veränderungen schafft ein Zeitplan die Möglichkeit, vorherzusehen, wann welcher Veränderungsschritt gegangen wird und was wann von jemandem erwartet wird. Metaphorisch betrachtet liefert ein realistischer Zeitplan den Beat für den Veränderungsprozess.

Unterstützungssysteme

Alles fällt leichter, wenn man sich in einen unterstützenden Kontext eingebettet fühlt. Zahlreiche empirische Belege (z. B. Sarason, 2013) beweisen, dass soziale Unterstützung bei der Bewältigung von herausfordernden und belastenden Situationen hilft. Selbsthilfegruppen basieren auf dieser Erkenntnis und helfen dabei, die Motivation zu stärken, um individuelle Veränderungsziele, beispielsweise Gewichtsabnahme, zu verfolgen oder um kritische Lebensereignisse zu bewältigen. Um Mitarbeitende beim Umgang mit Veränderungen ihrer Aufgaben und Rollen in organisationalen Veränderungssituationen zu ermutigen und zu stärken, sind Führungskräfte in der Verantwortung, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. Dieses reicht von praktischen Tipps zur Problemlösung bis hin zur emotionalen Unterstützung durch Gesprächsmöglichkeiten, wie z. B. Intervisionsgruppen, in denen über Veränderungshürden und deren Bewältigung offen gesprochen werden und über eine verständnisvolle und ermutigende Gesprächsatmosphäre Veränderungsmotivation geschaffen werden kann (Lippmann, 2012). Damit die Unterstützung durch Führungskräfte auch auf fruchtbaren Boden fallen kann und nicht als Mikromanagement interpretiert wird, sollte auf ein angemessenes Timing, Rollenklarheit und eine adäquate Taktung der Unterstützung geachtet werden, wie in einer Studie von Fisher, Amabile und Pillemer (2021) dargestellt wird.

Vision

Jede Organisation kann langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren. Sie wollen wissen, wofür ihr Unternehmen steht und welchen Sinn ihre Arbeit hat (z. B. Hurst, 2016). Sie wollen zu positiven Zielen beitragen, eigenständig Entscheidungen treffen und selbstständig handeln. Darauf basiert die emotionale Bindung zum Unternehmen, aus der sich wiederum das Engagement der Mitarbeitenden ableitet. Daher enthält eine wirksame Vision emotionale Botschaften (z. B. Walt Disney: «We make people happy»). Zahlenbasierte oder rein wirtschaftliche Visionen («Wir sind Marktführer in …») können diese Identifikationskraft nicht entfalten. Die Vision bildet den Wesenskern eines Unternehmens ab, neudeutsch: den Purpose, der für lange Zeit eine verlässliche Konstante bietet. Eine starke Vision gibt Antworten auf folgende Fragen: Warum tun wir das, was wir heute tun? Wo wollen wir in fünf bis zehn Jahren stehen? Welche Werte würden wir auch dann verfolgen, wenn das Unternehmen turbulenten Zeiten ausgeliefert ist oder wenn es ein (scheinbarer) Nachteil im Wettbewerb wäre? Wird eine Veränderungsmaßnahme im Einklang mit höherstehenden Werten wahrgenommen und zahlt damit gefühlt auf die Erreichung der Vision ein, kann sie leichter mitgetragen werden.

Widerstandsanalyse

Werden Veränderungen als überraschend, unbequem oder bedrohlich erlebt, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir darauf zunächst mit Ablehnung und Abwehr reagieren. Häufig entsteht diese Ablehnung aus einer Kombination von rational belegbaren Argumenten zu möglichen Einbußen, Mehraufwänden und Risiken, die mit der Veränderung verbunden sind, und emotionalen Ängsten, die Veränderung nicht bewältigen zu können. Oft sind den Betroffenen die Beweggründe für die Ablehnung der Veränderung selbst nicht vollumfänglich klar. Diese mangelnde innere Geordnetheit wiederum prägt das Argumentationsverhalten und führt bisweilen zu emotional aufgeladenen Diskussionen. Um herauszufinden, welche Faktoren maßgeblich die Abwehrreaktion prägen, gibt es nur einen Weg: ins Gespräch kommen und über eine fragende Haltung die Ursachen dafür miteinander zu eruieren. An welcher Stelle fehlen Informationen? Welche Fragen oder Zweifel bestehen zum weiteren Vorgehen? Bei welchen Themen wird Unterstützung gewünscht? Auf der rationalen Ebene der Abwehr kann durch informative Change-Kommunikation zu den Hintergründen, zum geplanten Vorgehen, zum erwarteten Nutzen bzw. Folgen der Veränderung für den betroffenen Personenkreis und zu Unterstützungsangeboten der Organisation das Verständnis für die Notwendigkeit der Veränderung erhöht werden. Wesentlich schwieriger, jedoch umso wichtiger ist es, die emotionalen Blockaden oder Widerstände besprechbar zu machen. Wie sieht die persönliche Nutzenanalyse aus? An welcher Stelle werden Mehraufwände, Einbußen, Risiken vermutet? Wo liegen Befürchtungen? Wo bestehen etwaige Zielkonflikte?

E

Xploration und KompleXitätsreduktion

Erscheinen uns Veränderungssituationen oder -ziele zu komplex oder zu langwierig zu erreichen, neigen wir dazu, zu kapitulieren,
bevor wir überhaupt angefangen haben. Wenn wir jedoch die anzugehenden Veränderungen gemäß der Salamitaktik in kleine bewältigbare Schritte zerlegen und mit einem explorativen Mindset die ersten Schritte probehalber angehen, kann sich die Veränderungsmotivation im Prozess des Ausprobierens entwickeln. Eine explorative Herangehensweise bedeutet, dass man sich nicht von Anfang an verpflichten muss, die Veränderung bis ans Ende zu gehen, sondern es einem zugestanden wird (oder wir es uns selbst zugestehen), nach einiger Zeit wieder aufhören zu dürfen, wenn sich unüberwindbare Hürden zeigen oder sich die gewünschten Ergebnisse nicht einstellen. So kann die Bereitschaft, z. B. bei einer Umstrukturierung eine veränderte Rolle oder Aufgabe anzunehmen, dadurch entstehen, dass z. B. für ein paar Tage im neuen Aufgabenfeld bzw. im neuen Team hospitiert wird, um dann zu entscheiden, ob man dorthin wechseln möchte. Die Implementierungsphase einer organisationalen Veränderung kann bewusst explorierend gestaltet werden, wenn angekündigt wird, dass in einem Evaluationsgespräch offen darüber gesprochen wird, ob die neue Vorgehensweise übernommen werden soll oder an welchen Stellen Anpassungen von Nöten sind. Dieser zugestandene Explorationsraum verbunden mit Entscheidungsfreiheit, verstärkt die Offenheit, Neues auszuprobieren.

Yoga

Wenn sich Dinge verändern, fühlt sich das manchmal so an, als würden wir den Boden unter den Füßen verlieren, und dieses Gefühl löst Angst aus. Yoga, Meditation und andere Entspannungstechniken sowie regelmäßige sportliche Aktivitäten können dabei helfen, negative Gedanken zu unterbrechen und Ängste zu reduzieren. Wir lernen uns mit und durch unseren Körper selbst zu beruhigen, unsere Gedanken zu steuern und auf neue oder belastende Situationen mit größerer Gelassenheit zu reagieren. Manchmal braucht es auch «nur» die richtige Atemtechnik, um zu erkennen, dass wir darauf vertrauen können, dass nach dem Ausatmen von ganz allein das Einatmen geschieht – unabhängig von jeder Veränderung um uns herum.

Ziele

Die von Locke und Latham intensiv erforschte Zielsetzungstheorie gehört zu den am besten belegten Motivationstheorien. Indem wir uns Ziele setzen, bündeln wir unsere Kräfte und fokussieren unsere Anstrengungen auf ein bestimmtes Ergebnis, sind in der Lage unser Vorgehen in Etappen und Zwischenziele einzuteilen und können unsere Fortschritte kontinuierlich monitoren. Daher ist das Setzen von Zielen und die Definition von dazugehörigen Umsetzungsmaßnahmen eine Voraussetzung, um intendierte Veränderungen in die Realisierung zu bringen. Werden herausfordernde Ziele erreicht, beflügelt das die Selbstwirksamkeit und die Bereitschaft sich weiteren Zielen zu stellen und ein High Performance Cycle setzt sich in Gang. Dabei ist jedoch die richtige Gestaltung von Zielen zu beachten, damit sie motivatorische Kraft entfalten können. Unrealistische Ziele werden gar nicht erst begonnen und Ziele, die mit den eigenen Werten im Konflikt stehen, nicht konsequent verfolgt.


Aus Ausgabe Nr. 4/21: Wir feiern – 40 Jahre OrganisationsEntwicklung

Mit dieser Ausgabe feiern wir den 40. Geburtstag der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung und zugleich die Errungenschaften der gleichnamigen Bewegung, die zum Ziel hatte, eine demokratischere und humanere Arbeitswelt zu schaffen.

Seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe ist viel passiert. Der Blick auf Organisationen als soziale und lernende Systeme sowie die Vorstellungen von guter Führung und zukunftsfähigen Organisationskulturen haben sich in den letzten 40 Jahren radikal verändert. Change Management hat sich zweifellos als wirkungsvolle Profession etabliert. Den differenzierten Erkenntnisgrad der relativ jungen Disziplin spiegeln alle Beiträge dieser Ausgabe wider.