Editorial Ausgabe 2/22

Heiße Kartoffel Change

Eine letzte Frage wäre da noch. Nach guten anderthalb Stunden Gespräch zum Weshalb und Warum des notwendigen Kulturwandels rückt mein Gegenüber endlich mit ihrem Anliegen raus: Was machen Sie eigentlich, wenn einige Personen im Vorstand den Change wollen, andere aber jetzt schon klar dagegen sind? Da hatten wir ausführlich beleuchtet, wie ganz konkret ein Kulturwandel funktioniert. Und ob das denn auch nachhaltig wirkt. Und welche Rahmenbedingungen es braucht, damit man endlich von dieser Kommandokultur wegkommt. Und überhaupt, alles duckt sich weg, wenn es um Eigeninitiative geht. Keine Fehlerkultur. Ganz furchtbar. Und jetzt das. Kurz vor Ende des Gesprächs und nach langem Hin und Her diese eigentliche, wesentliche Frage.

Wenn der Wandel zur heißen Kartoffel wird, ist die Verantwortung auf der Flucht. Der Prozess wird gern dann Berater*innen übereignet. Oder einem Stab. Oder engagierten internen Change Pro­fessionals. Das geht meist nur so lange gut, bis der kühle Wind der oberen Hierarchieebene durch die Flure weht. Spätestens dann sollte man sich als intern Verantwortliche/r warm anziehen.

In dieser Ausgabe der ZOE geht es um die Frage, wie Change-Prozesse am besten in das Machtgefüge der Or­ga­nisation eingebettet werden. Wie man sie schützt und dafür sorgt, dass eine Alli­anz der Willigen bei den Mächtigen auch dann erhal­ten bleibt, wenn unpopuläre Entscheidungen gefällt werden müssen.

Falko von Ameln erklärt in seinem Überblick, wie Macht in Or­ga­nisationen funktioniert und welche Bedeutung sie für Transformationsprozesse hat. Im Gespräch mit Fritz B. Simon erörtern wir, warum Macht im Change so häufig ausgeblendet wird. Er ent­kleidet naive Beraterfantasien und erinnert uns an die funk­tio­nal­e Seite von Macht und Hierarchie. Im Zusammenhang mit dem agilen Paradigma argumentieren Michael W. Busch und Karin Link ähnlich: Hierarchie als Prinzip wird wohl trotz grundlegend neuer Führungsrollen überleben. Wertvolles Erfahrungswissen von Change Professionals steht im Zentrum dieser Aus­gabe der OrganisationsEntwicklung: Sandra Vögel und Silke Fischer leiten in ihrer Fallstudie fünf Prin­zipien für den Umgang mit Macht in Transformationsprozessen ab. Ich freue mich, dass fünf Profis in unserer Interviewreihe «Machtkalkül» ihren persönlichen Zugang zur Machtfrage offenbaren. Wesentliche Aussage: Wenn Macht eine produktive Rolle in Veränderungsprozessen spielen soll, ist ein ausreichendes Bewusstsein über Macht und Mächtigkeit in der Organisation die Voraussetzung dafür. Und das schließt die Ge­stal­ter*innen des Wandels ein.

Viel Erfolg beim macht-bewussten Wandel.

Herzlichst, Ihr
Heiko Roehl


Aus Ausgabe Nr. 2/22: Macht und Wandel – Erfolgsfaktor Change Governance

Dass Organisationen keine trivialen Maschinen sind, bedeutet vor allem, dass ihr Wandel eben nicht detailliert planbar ist. Je umfassender der Change, umso weniger ist deshalb auch initial einschätzbar, welche Verschiebungen sich auf den Vorder- und Hinterbühnen der Macht ergeben. Ganz gleich, ob es sich um eine kulturorientierte Organisationsentwicklung, eine Post-Merger-Integration oder eine harte Restrukturierung handelt: Im Verlauf jedes tiefgreifenden Veränderungsprozesses tauchen ungeahnte Kräfte auf, die am Wandel zerren.

In dieser Ausgabe der ZOE geht es um die Frage, wie Change-Prozesse am besten in das Machtgefüge der Or­ga­nisation eingebettet werden. Wie man sie schützt und dafür sorgt, dass eine Alli­anz der Willigen bei den Mächtigen auch dann erhal­ten bleibt, wenn unpopuläre Entscheidungen gefällt werden müssen.